Hannes Schwarzinger, Vienna City Marathon 2021Lange Zeit ist es her, als ich mich entschloss, dem Fußball – meiner großen Liebe, den Rücken zu kehren und die Noppenschuhe gegen die Laufschuhe zu tauschen. Es war der Beginn einer wahren Hassliebe.

Februar 2021: ich wagte endlich den Schritt und machte mir einen Termin bei Lissi für einen Lauf Laktat-Test aus. Bereits die Anreise zum Studio entfachte bei mir ein Gefühl, dass wohl nur Spitzensportler kennen. Professionelle Leistungstests, Tipps von Spitzensportlern, für mich eigens erstellte Trainingspläne, all das darf ich nun selbst an meiner Person erproben.

März 2021 – Juni 2021: Woche für Woche spulte ich meine Trainings ab und gefühlt mit jedem Lauf und Workout entwickelte ich mich mehr zu einem „waschechten“ Läufer. Mittlerweile hatte ich auch die Statur eines Ausdauersportlers angenommen (der Muskelschwund war doch erkennbar). Für mich gab es aber nur ein Ziel, egal was es kostet, Fit für den 12.09.2021 zu werden. Dafür brachte ich sehr viele Opfer. Die Trainings nach einem langen Arbeitstag, Laufen im Regen oder bei Kälte, all das konnte mich auf meinem Weg zum erfolgreichen Marathon Finisher nicht stoppen.

Juni 2021: der nächste Laktat-Test stand am Programm, nervös blickte ich den Ergebnissen entgegen.
Was hat sich seit Februar getan, bin ich überhaupt besser und fitter geworden? Wo liegen meine Grenzen, usw. So viele offene Fragen schossen mir in den Kopf -> das Ergebnis, WAHNSINN!

Ich konnte meine Pace um mehr als 1,5 Geschwindigkeitsstufen in die Höhe schrauben, hatte mein Laktat viel besser im Griff und ganz wichtig, die Trainerin war auch zufrieden. =)

Juni 2021 – September 2021: mit der Motivation des Testergebnisses stürzte ich mich in die letzte Phase der Vorbereitung. Weiterhin standen 4 Trainings pro Woche auf dem Programm, Intervalle, Long Run´s, Regenerationsläufe, alles was das Läuferherz begehrt. Ich merkte spürbar, dass der Tag der Prüfung näherkam. Als ich dann über die Medien erfuhr, dass die Regierung grünes Licht für das Event gab, schoss mir das Adrenalin in den Körper ein, ich kann es nicht mehr erwarten. Die Tage im September dauerten gefühlt doppelt so lange als sonst, 12 Tage, 11 Tage, 10 Tage, der Countdown läuft.

September 2021: ein kurzer Formcheck beim Business Run zeigt mir neuerlich, ich bin bereit!!

It´s race weekend: leider konnte die Lauf-Expo in der Marx Halle nicht ganz so groß aufgezogen werden, wie beim letzten VCM 2019. Das Flair und die Anspannung bei allen Athletinnen und Athletin war aber trotzdem in der ganzen Halle zu spüren. Auch mich packt jedes Mal dieser Moment aufs Neue, wenn man sein Startersackerl überreicht bekommt und man mit den Vorbereitungen beginnen kann. Ganz nervös legte ich mir all meine Laufsachen sorgfältig am Vorabend heraus, ging nochmals meine Checkliste durch und gönnte mir ordentlich viel Schlaf.

Raceday: Tagwache um 05:30 um ja alle zeitlichen Abläufe einhalten zu können. Via Frühstück die letzten Kohlenhydratspeicher auffüllen, rein in die Laufgarnitur und auf Richtung Start! Gottseidank begleiteten mich meine zwei besten Kumpels (liefen den HM) bis kurz vor den Start, somit war keine Zeit um nervös zu sein/werden, da wir uns gegenseitig motivierten und Schmäh führten.

09:05 Uhr: das Startsignal für Block 2 ertönt! Los geht´s, let´s get ready to rumble!
Eine riesige Menschenmenge setzte sich im Bewegung und es ging schnur stracks Richtung Reichsbrücke. Was war das für ein Ausblick, strahlender Sonnenschein, der schönste Teil Wiens vor Augen und tausende ehrgeizige Läufer vor und hinter einem. Auf Grund der engen Platzverhältnisse war es zu Beginn eher ein Hindernislauf, meine Muskeln waren sofort auf Betriebstemperatur und ich marschierte. KM für KM spulte ich auf die Uhr, ich genoss wirklich jeden Schritt. Tausende Menschen kreischten, DJ´s sorgten für den Beat, da läuft es sich doch fast von alleine.
Split HM: ein Blick auf die Uhr, ich war schockiert, prognostizierte Zielzeit: 3:02h!
Ich wusste im Moment nicht ganz, wie ich mit dieser Erkenntnis umgehen sollte. Einerseits dachte ich mir, geil, ich bin wahnsinnig flott unterwegs, andererseits hatte ich erst die Hälfte der Strecke hinter mir, hoffentlich habe ich mich nicht übernommen.

Hannes Schwarzinger, Vienna City Marathon 2021KM 30: die schlimmsten Befürchtungen haben sich bewahrheitet, ich habe mich tatsächlich übernommen. Mein Körper zeigt mir nun Schritt für Schritt, dass die Kraftreserven gen 0 gehen.
Ich nutze jede Labestelle intensiv, um Flüssigkeit und Zucker aufzunehmen, muss teilweise das Laufen einstellen und ein paar Meter gehen – ich war mitten auf der Prater Hauptallee und war kaputt. Es kam der Moment, wo aufgeben die einzige Möglichkeit war, den Tag noch halbwegs ungeschoren zu beenden. NEIN – mein Kopf, mein Wille hat die Müdigkeit besiegt! Ich schmeiß doch nicht 6 Monate intensives Training auf einmal hin!

KM 40 – der Ring: Beflügelt durch die Vielzahl an Zuschauern, einer frenetischer als der andere, bekam ich die gefühlt 5te Luft und konnte nochmals Zeiten im Bereich um 5:00 min/km auf den Asphalt brennen. Die nun stehende Hitze (ca. 30°) konnte mir nichts mehr antun, ich war wieder im Flow.

Endspurt – Zielgeraden: Mit dem Wissen, meine Liebsten stehen auf der Zielgeraden, startete ich meinen Endspurt. Unter tosendem Applaus, krampfend und überglücklich, überquerte ich die Ziellinie nach 3h 43min 08sek. Im Ziel hatte ich nicht einmal mehr die Kraft, meine Hände zu Heben und mich feiern zu lassen. Zu viel Energie kostete mich der Kampf mit der Hitze, der Strecke und vor allem mit mir selbst.

Empfang: Es dauerte keine 5 Minuten, da waren schon meine Liebsten an meiner Seite. Angeführt von meiner Freundin, der ich für die unendliche Unterstützung in den vergangenen 6 Monaten so sehr dankbar bin, umarmten und klatschten mich alle ab. Ich fühlte mich stolz, war begeistert von meiner mentalen Stärke und einfach nur überglücklich.

Wie geht es weiter: der Countdown für den nächsten VCM beginnt bereits in ein paar Tagen. Konsequentes Training und Disziplin werden wieder an den Tag gelegt, für mein neues Ziel, die Zeit nach unten zu schrauben!

Sportliche Grüße
Hannes

Hannes Schwarzinger

Hannes Schwarzinger

…Bau- und Projektleiter im Leitungsbau für A1 Telekom Austria
Ich bin vor ca. 5 Jahren aus dem Waldviertel beruflich nach Wien gezogen und habe die große Stadt lieben gelernt. Neben dem Ausdauersport (Laufen, Rennradfahren, Langlaufen) ist vor allem der passive Sport eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, denn die Nachmittage an den Wochenenden sind reserviert für die Fußball-Konferenzschaltungen auf Sky.