Tristyle-Blog: Zuviel des GutenEndlich stehen wieder Marathonwettkämpfe vor der Tür und natürlich auch viele andere tolle Volksläufe, für die es sich zu trainieren lohnt 😉

Doch wie immer vor einem großen Marathon beginnen viele Hobbyläufer überstürzt ihre Ziele hochzuschrauben. In etwa 2-3 Monate – wenn überhaupt – vor dem großen Wettkampf suchen die genannten Sportler ihren Weg zu uns mit dem Wunsch: „Ich möchte gerne meinen ersten Marathon am Datum xx xx laufen. Geht sich das aus?“ oft mit dem Nachsatz „ich bin aber bis jetzt immer nur 15-20km gelaufen oder in den letzten Monaten nie mehr als 20km am Stück“. Manchmal passiert es aber auch, dass 4-6 Wochen vorm Marathon spontan der Entschluss gefasst wird, doch endlich mal einen Marathon zu finishen oder von einem sporadischen Hobbylauftraining auf ein professionelles Marathontraining zu wechseln, obwohl noch nie mehr als 10km zurückgelegt wurden.

Zu oft habe ich Situationen wie diese erlebt und zu oft haben sie in Frustration und Verletzungen geendet. Ich möchte euch die Gründe dazu gerne nachfolgend näherbringen:

  • Völlige Fehleinschätzung der aktuellen Leistungsfähigkeit
  • Völlige Fehleinschätzung des Anforderungsprofils für einen Marathonlauf
  • Krankhafte Ehrgeizentwicklung beeinflusst durch andere, „die das ja auch schaffen“ oder schon geschafft habe
  • Spontane gesunde Motivation, aber Unterschätzung des Trainingsumfangs
  • Lesen eines Buches: zum Marathon in 3 Monaten und denken, dass es funktioniert
  • Der Wunsch einen professionellen Trainingsplan zu erhalten, sich aber nie an diesen halten oder zusätzliche Trainingseinheiten oder sogar ungeplante Wettkämpfe einstreuen.
  • Den Trainer zu überreden versuchen, noch mehr oder anders zu trainieren, obwohl er viel mehr Erfahrung hat als man selbst.

Diese Liste könnte ich noch ewig weiterführen.

Tristyle-Blog: Zuviel des GutenAls Trainer sind solche Situationen sehr unangenehm, denn einerseits will man einen motivierten Sportler nicht wegschicken oder demotivieren, auf der anderen Seite muss man ihm klipp und klar sagen, was Sache ist und was Sinn macht und nicht.

Doch auch hier gibt es eine große Beratungsresistenz: obwohl man vorm Experten sitzt, meint man, es selbst besser zu wissen, oder weil es schon mal so und so funktioniert hat oder jemand anderer es so gemacht hat, wird es bei mir selbst auch schon gut gehen.

NEIN! Genau das ist das Problem dabei, denn erstens ist jeder Mensch individuell und anders. Und zweitens braucht ein gesunder Marathon eine gewisse Vorlaufzeit, damit der Körper die Reize verarbeiten kann sprich genug Zeit für eine entsprechende Regeneration hat.
Natürlich kann jemand der sein Leben lang sehr regelmäßig und im richtigen Umfang läuft relativ rasch fit für den Marathon werden, das sind aber die allerwenigsten Läufer, die ich kenne. Und natürlich kann es auch mal spontan gut gehen und man kommt sogar gesund und munter ins Ziel. Aber Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel.

Tristyle-Blog: Zuviel des GutenEin wichtiger Punkt ist auch noch: was ist das Ziel des Marathons? Möchte ich ihn „nur“ finishen oder will ich eine bestimmte Zeit erreichen? Den meisten Läufern reicht „nur“ finishen nicht, aber selbst wenn das ein Ziel ist, muss ich trotzdem eine gewisse körperliche Leistungsfähigkeit mitbringen, um dies zu schaffen.

Weiters: wenn ihr beim Experten Rat sucht, bitte erklärt ihm nicht, was richtig und falsch ist. Deshalb sucht man eigentlich den Weg zu einem Profi. Natürlich sollte man ausreichend Feedback geben und berichten, was einem gut tut und was nicht, damit der Plan optimal angepasst werden kann. Aber das Vertrauen in den Plan und in den Trainer sollte schon da sein, denn ansonsten könnten sich beide die Mühe und das Geld sparen 😉
Ich möchte diesen Blogartikel mit einem Beispiel aus der Praxis abschließen:

Herr Mustermann bucht einen Trainingsplan mit der Ausgangslage: längste gelaufene Distanz 20km, unbedingter Wunsch in 3 Monaten einen Marathon zu laufen. Nach einem Laktattest, der massive Defizite im Grundlagenbereich aufweist, beginnt man mit dem ersten Trainingsmonat. Kein einziges Training wird nach Vorgabe umgesetzt, es werden statt 20km Läufen 30km und länger gemacht und es folgt der Wunsch an den Trainer, wann denn endlich im Plan die 30-35km Läufe folgen. Der Trainer will den Kunden nicht verärgern und geht auf seinen Wunsch ein und steigert die langen Läufe relativ rasch auf eine Distanz von über 30-35km. Nach 8 Wochen Trainingsplan ist der Kunde verletzt und es ist nicht absehbar, dass die Verletzung bis zum Wettkampf verschwindet. Fazit: hätte sich der Kunde an den langsamen und richtigen Aufbau gehalten, wäre ziemlich sicher keine Verletzung entstanden, aber auch der Trainer hätte bei seiner Linie bleiben sollen, auch wenn er den Kunden dadurch verärgert. Ihr seht also, es ist für beide nicht ganz einfach, aber aus Fehlern sollte man ja bekanntlich lernen 😉

In diesem Sinne: trainiert fleißig, aber richtig, und vergesst nicht, dass weniger auch manchmal mehr ist!

Elisabeth Niedereder, Tristyle Gründerin und Inhaberin

Elisabeth Niedereder

…als Sportwissenschaftlerin, Ernährungsmedizinerin iA, 26fache Staatsmeisterin und Inhaberin von Tristyle gibt sie ihre Erfahrungen und ihr Wissen immer wieder gerne in Form von informativen Blogartikeln weiter. Ihre Themengebiete umfassen unter anderem Laufen, Triathlon, Leistungsdiagnostik, Trainingsplanung, Personal Coaching uvm.