Robert Unger

„Wie vom Bus überfahren!“ war am 15.04.18 meine Antwort (per SMS) auf die Frage meiner Frau Sandra, wie ich mich fühle. Was war passiert? Ich weiß es nicht, ich bin vor einer Stunde und Krankenhaus aufgewacht kann nicht nachvollziehen, warum ich hier bin, warum mein Kopf, mein Gesicht und meine Hand schmerzen. Ich habe null Orientierung, auch keine Ahnung, welchen Wochentag, welche Jahreszeit gerade ist.

So ist es also, wenn man im Krankenhaus aufwacht und keine Erinnerung hat. Ich hatte wohl einen Unfall, naheliegenderweise beim Radfahren. Bin schon gespannt, wie das Rad und mein Helm aussehen. Zumindest der Helm muss sicher erneuert werden.
Um der Sache näher zu kommen machte ich einen schnellen Check meines Körpers. Ich konnte alle Extremitäten bewegen, war weder verdrahtet, noch hing ich am Tropf (obwohl mir ein Zugang gesetzt wurde). Kurze Erleichterung, aber das Rätsel raten geht weiter.

Auf meiner Suche nach Orientierung entdeckte ich auf dem Nachttisch eine Broschüre mit einer Nachricht von Sandra und mein Handy. Ich bin zu Hause gestürzt und man weiß nicht warum, weil ich zu diesem Zeitpunkt alleine zu Hause war. „Echt jetzt?“ Durch mein Handy erfahre ich, dass wir Mitte April haben. Ich melde mich kurz bei meiner Frau, es kommt zum obigen Dialog. Danach werde ich wieder müde, lege mein Telefon zur Seite und döse wieder ein. Kurze Zeit später wache ich wieder orientierungslos auf und habe keine Ahnung, warum ich im Krankenhaus bin. Ich finde einen Zettel von Sandra, auf dem steht, dass ich zu Hause gestürzt bin und will sie mit dem Handy kontaktieren, bemerke aber, dass ich das gerade erst getan habe.

So lief der gespenstige erste Tag im Krankenhaus ab. Ich hatte mein Kurzzeitgedächtnis verloren, war mir dessen völlig bewusst. Ich wusste, dass ich nichts wusste. Es war klar, dass das die Folgen der erlittenen Gehirnerschütterung inkl. Amnesie sind. Ich hatte auch kaum Erinnerungen an den Vortag, ab dem Unfall bis zum Aufwachen gar keine. Ich wusste auch nicht, dass wir Stunden in der Notaufnahme des SMZO verbrachten, dass ich auf Unterlippe und Unterkinn genäht wurde, dass ich im 10-Minuten-Rhythmus immer die gleichen Fragen stellte (darum der Zettel) etc. etc. etc.

Warum erzähle ich das so ausführlich?

Jeder Hobbysportler hat irgendwann mal die Phase, dass er sich von einer kleineren oder größeren Verletzung erholen muss. Häufig sind dabei jene Teile betroffen, die für die Ausübung der Sportart notwendig sind. Beispiele sind Zerrungen, Bänderrisse, Knochenbrüche etc. In meinem Fall war der Bewegungsapparat bis auf einen harmlosen Mittelhandknochenbruch völlig in Ordnung, nur der Kopf wollte nicht. Ich musste also ausgerechnet mit jenem Körperteil, das am schwersten verletzt war (das Gehirn), alles weitere steuern…

Der Weg zurück

Zunächst verschwendete ich nicht allzu viel Gedanken, wie es mit dem Sport weiterging. Ich hatte eher Sorge, wie es gesamthaft mit meinem Leben weitergehen kann. Es bestand der Verdacht, dass mein Sturz die Folge eines epileptischen Anfalls war. Wie gehe ich damit um? Wann bin ich wieder belastbar? Werde ich wieder belastbar sein? Werde ich meinen Job wieder ausüben können?

Ich bemerkte schnell, dass Nachdenken extrem müde macht. Ich schlief die meiste Zeit des Tages und hatte immer wieder Schwindelanfälle, wenn ich vom Bett oder der Couch aufstand. Nach zwei Tagen wollte ich meine schmerzstillenden Tabletten absetzen, habe es mir aber nach wenigen Stunden anders überlegt. Ich fühlte mich als kranker Geist in einem gesunden Körper.
Nur langsam kamen die Gedanken an den Sport zurück, hatte aber das Gefühl, dass eine Planung des Comebacks entgegen meiner eigentlichen Gewohnheiten keinen Sinn macht. Ich musste schauen, wie mein Körper auf Belastung reagiert. Ca. 2 Wochen nach dem Unfall stieg ich wieder auf das Rad (mit Gipshand). Es war eine super-kurze Tour in Begleitung von Sandra aber es war eine Befreiung. Ich hatte doch ziemlich Angst, wie es mir am „Carbon-Esel“ ergehen würde, hatte auch Sorge, ob ich das Gleichgewicht halten konnte. Die Wahrheit war, in dieser kurzen Phase ging es mir besser als sonst.

So schaute ich also von Tag zu Tag bzw. Woche zu Woche, was denn möglich ist. Ich nahm langsam wieder das Training auf. Lissi versorgte mich wieder mit Plänen (Witziges Detail am Rande: Obwohl ich völlig orientierungslos im Krankenhaus lag, gab ich Lissi Bescheid, „baw“ keinen Trainingsplan zu benötigen☺. Soweit funktionierte der Kopf also noch)

Hallo Lissi,
brauche baw keine neuen Pläne. Bin gestürzt und liege im Krankenhaus. Melde mich, sobald ich wieder am Damm bin.
LG, Robert

Ich fühlte sehr schnell, dass die Regeneration von dieser (schweren) Gehirnerschütterung länger brauchen wird. Trotz grundsätzlich positiver Tendenz zeigte das EEG noch Ausschläge, es gab Tage und Momente, wo ich mit dem Schwindel kämpfte und dass mir generell recht schnell die Energie ausging. Ich brauchte viel mehr Schlaf als vorher. Die Dosierung von Beruf, Training und Erholung war also ein Drahtseilakt.

Damit war auch schnell klar, dass ich meine sportlichen Ziele für 2018 neu definieren musste. Zunächst war ich froh, dass ich mir wieder sportliche Ziele stecken konnte. Ich musste mir aber eingestehen, dass der Glocknerkönig und die Langdistanz beim Mondsee Radmarathon zu früh kamen. Bei den Worldgames of Mountainbiking wird es wohl auch nichts mit der Langdistanz, aber an einer der kürzeren Distanzen wollte ich unbedingt teilnehmen.

Je „normaler“ mein Leben wurde, desto eher wollte ich wieder wissen, was ich mir, meinem Kopf und meinem Körper zumuten kann. Ich beschloss daher kurzfristig, an den Wachauer Radtagen über 150km und 2.500hm teilzunehmen. Natürlich hatte ich eine gewisse Zielsetzung bzgl. Zeit (und diese auch fast geschafft), viel wichtiger war mir die Erkenntnis, wie reagiert das „Gesamtsystem Robert“ auf diese Belastung, auch in den Tagen danach. Es war einer der Highlights des Jahres, weil ich grundsätzlich wieder wettbewerbsfähig war. Das Comeback war geschafft!!!

Nach dem Comeback

Jetzt galt es, übertriebenen Ehrgeiz zu vermeiden und weiter „smart“ zu trainieren. Aus neurologischer Sicht war ich immer noch nicht vollständig wiederhergestellt. Zu großer Stress war also zu vermeiden.
Lissi nahm von Beginn an in ihrer Planung darauf Rücksicht. Ich habe knapp ein Monat an Vorbereitung verloren aber wir behielten die „Kirche im Dorf“ und festigten die notwendige Grundlage.

Bei den Worldgames of Mountainbiking wurde es zwar nicht die Langdistanz, aber immerhin die 58km mit knapp 3.000hm wurden in beinahe der gleichen Zeit, wie das Jahr davor bewältigt. Auch der Laktat-Test drei Wochen später brachte ein sehr gutes Ergebnis. Zumindest Lissi war zufrieden und seinem Trainer sollte man ja nicht widersprechen.

Fragen zum Abschluss?

Habe ich was daraus gelernt?

Nicht wirklich. Als Konsequenz der Unfallfolgen (hauptsächlich Schwindel) mache ich jetzt nicht mehr ausschließlich Morgentraining. D.h. es läutet nicht mehr 3mal pro Woche um 4.00 Uhr der Wecker.

Was ist mit dem Verdacht auf Epilepsie passiert?

Nichts. Es kann weder ausgeschlossen noch bestätigt werden. Es gab aber keinerlei Anzeichen von weiteren Anfällen und ich habe beschlossen, mein Leben nicht in Angst zu verbringen.

Hat es Dein Leben verändert?

Ja, in gewisser Weise. Nachdem ich erkannt habe, dass manche Ereignisse völlig unvorhergesehen einschlagen können, habe ich beschlossen, einem Traum von mir zu folgen und mache die Ausbildung zum Personal Trainer in der Tristyle Academy.

Deine Ziele für 2019?

Die gleichen wie zu Beginn von 2018, nur diesmal ohne Unfall.

Wem möchtest Du danken?

Als erstes ganz allgemein bei all jenen, die mir vor allem in der ersten schweren Zeit den Rücken gestärkt haben und mir Kraft gesendet haben. Ich denke da z.B. an meine Mädels und Jungs der U15 der NSG Weinviertel Süd mit samt den Trainerkollegen.
Zweitens bei Lissi Niedereder, die mir die richtigen Pläne zur richtigen Zeit vorgegeben hat und immer mit Rat und Tat zur Seite stand.
Vor allem gebührt mein Dank natürlich meiner Frau Sandra. Es ist ohne Unfall schon nicht leicht, mich auszuhalten und es war danach sicher auch nicht einfacher. Außerdem hat sie mich verwegen bei meiner ersten Rad-Ausfahrt nach dem Unfall begleitet und mich beim Entschluss, die Ausbildung zum Personal Trainer zu starten, stets unterstützt.

Robert Unger

Robert Unger

… verfolgt als begeisterter und begeisternder Hobby-Radsportler (auch „Hobbette“ genannt) ambitioniert sein Ziel vom Ötztal-Radmarathon. Seit 2015 ist er Tristyle-Athlet und hoffentlich bald Alumni der Tristyle Academy. Außerdem kümmert er sich um den Fußball-Nachwuchs im südlichen Weinviertel. In seinen Blogbeiträgen berichtet er über den (Trainings-) Alltag mit seinen Herausforderungen und seinen Wettkämpfen.